Mit unserem Kleingarten und dessen Bewirtschaftung und Gestaltung haben wir im wahrsten Sinne ein Stück Natur gepachtet, das wir bewirtschaften, gestalten und nutzen. Als Pächter und Gärtner haben wir die große Chance und meiner Meinung nach auch die große Verantwortung die Natur, den Garten, also Wasser, Erde, Luft, Pflanzen und Tiere zu schützen, zu erhalten, zu mehren und respektvoll für nachfolgende Generationen damit umzugehen.
Das bedeutet, fachlich richtig, umweltschonend und zeitgemäß zu gärtnern. Wir müssen besser verstehen, dass wir in natürliche Zusammenhänge und Kreisläufe eingreifen und unser Handeln stets große Folgen hat, negative und durchaus positive.
Als durchaus positiv sehe ich das Pflegen und Erhalten alter Obstbäume sowie eine Neupflanzung, regional angepasster, robuster, krankheitstoleranter, standortgerechter neuer Obstsorten sowie den Erhalt alter Obstsorten.
Von Äpfeln über Birnen, Kirschen, Pflaumen, Renekloden, Pfirsichen, Aprikosen bis hin zu Quitten bieten Obstbäume eine Vielfalt an Früchten für unsere Ernährung und haben einen ökologischen Nutzen.
Ein Obstbaum speichert Kohlenstoffdioxid im Holz und produziert Sauerstoff. Ein Obstbaum hält den Boden und trägt zum Wasserhaltevermögen des Bodens bei. Ein Obstbaum absorbiert Strahlung der Sonne, spendet Schatten, kühlt die Luft und erhöht durch seine Verdunstung die Luftfeuchtigkeit. Ein Obstbaum ist ein Filter für Feinstaub und Abgase und reinigt die Luft. Ein Obstbaum ist lärmdämmend und dient als Lärmschutz. Ein Obstbaum ist Erholung und hat eine ästhetische und psychologische Wirkung. Ein Obstbaum liefert köstliches, gesundes Obst. Ein Obstbaum liefert Holz für Möbel und Musikinstrumente.
Was so ein Obstbaum alles kann! Was viele Obstbäume in unseren Gärten können!
Neben all diesen nützlichen und wichtigen Fähigkeiten ist so ein Obstbaum auch ein einzigartiger Lebensraum für viele Tiere und Pflanzen und dient somit der Erhaltung der Arten.
Allein im Wurzelbereich in der Erde leben unzählige Insekten und Kleinstlebewesen, die hier Nahrung, Austauschprodukte, Wohnstätten und Kinderstuben finden.
Bakterien sind richtige Stickstofflager. Sie halten Nährstoffe im Boden und sind Nahrung für höher entwickelte Lebewesen. Pilze durchdringen den Boden mit ihrem netzartigem Mycel, dem Pilzgeflecht und zersetzen organische Substanz, bilden den Großteil des Dauerhumus und leben symbiotisch mit dem Obstbaum. Pilze schützen die Pflanze gegen schädliche Fadenwürmer. Fadenwürmer wiederum setzen pflanzenverfügbaren Stickstoff frei.
Einzeller helfen bei der Mineralisierung der Nährstoffe im Boden und setzen die von den Bakterien gespeicherten Nährstoffe wieder frei, indem sie sie fressen und regulieren somit die Anzahl der Bakterien. Hornmilben gehören zu den Top Zersetzern, da sie Laub, Algen, Aas und Pilze fressen. Raubmilben zeigen reiches Bodenleben an und vernichten Nematoden und Thripsen. Springschwänze sind wichtige Zersetzer, die sich von organischem Abfall ernähren. Sie leben im und auf dem Boden, halten Pilze in Schach und dienen wiederum Hundertfüßern, Ameisen, Käfern, Spinnen und Vögeln als Nahrung. Asseln, Gliederfüßer und Regenwürmer zerkleinern im Darm den Humus und sind wesentlich an dessen Durchmischung und weiteren Zersetzung beteiligt. Und, na klar, auch sie sind wiederum Nahrung für Vögel, Kröten, Eidechsen und viele mehr. Regenwürmer produzieren hochwertigsten Dünger, durchgraben und belüften den Boden, kompostieren Laub und Pflanzenreste.
Regenwürmer schichten durch ihr Graben Nährstoffe von unten nach oben und schaffen einen lockeren, luftigen Boden, welcher Wasser gut aufnehmen kann. Die Anzahl der Regenwürmer ist ein Indikator für „Guten Boden“.
Weiter aufwärts, den Obstbaum an der Rinde hinauf, ist weiteres Leben zu entdecken. Hier leben und vermehren sich Käfer, Schmetterlinge, Wanzen und Spinnen, um nur einige zu nennen. Sie sind nützlich, da sie anderen als Nahrung dienen und sich selbst von Schädlingen des Baumes ernähren. Winzig kleine Pilze, Algen und Flechten, die auf der Rinde siedeln, sind Nahrung für diese Vielzahl an Insekten. Flechten sind Lebensgemeinschaften aus Algen und Pilzen, die die Baumrinde lediglich als Unterlage nutzen, ohne ihn zu schädigen.
Und, wer hätte es gedacht, diese Käfer, Schmetterlinge, Nachtfalter, Wanzen und Spinnen, darunter Schädlinge des Obstbaumes und deren Larven sind wichtiges Futter für andere Insekten, Singvögel, Spechte, Gartenschläfer und Fledermäuse. Schädlinge wie z.B. Raupen werden durch Grabwespen betäubt und dienen deren Larven als Futter (siehe Bild).
Auf den Blättern und Zweigen leben unter anderem Milben, winzige Spinnentiere. Einige Milben, wie Raubmilben, sind nützlich, da sie Schädlinge wie Spinnmilben, die Pflanzenkrankheiten verbreiten, fressen und somit in Schach halten. Alle Milben dienen anderen Insekten als Nahrung.
Blattläuse saugen gern an Blättern und Trieben und hemmen somit das Wachstum und können Pflanzenkrankheiten fördern und verbreiten. Sie dienen aber auch Marienkäfern und deren Larven, Schlupfwespen, Spinnen, Florfliegen und Gallmücken als Nahrung und werden auch von vielen Vögeln gern gefressen.
Angekommen im Geäst der Baumkrone finden unsere Vögel auch einen Platz zum Brüten und ein geeignetes Versteck. In alten Obstbäumen sind Baumhöhlen ein wichtiger Unterschlupf für Fledermäuse, Bilche und Höhlenbrüter wie Gartenrotschwanz, Kleiber und Trauerschnäpper, allesamt bedrohte und immer seltener werdende Tierarten. Bestäuber wie Bienen, Wildbienen, Hummeln, Schmetterlinge und andere Insekten besuchen die Blüten der Obstbäume, um Nektar und Pollen zu sammeln. Bei kühler Temperatur ab 7 Grad Celsius fliegen die Hummeln und Wildbienenarten. Honigbienen fliegen erst ab 12 Grad Celsius aus. Alle machen durch ihre Bestäubung eine Ernte von Früchten überhaupt erst möglich. Die Honigbienen produzieren zusätzlich Honig, Wachs und Propolis für uns.
Diese Betrachtung des Obstbaumes als Lebensraum ist nur beispielhaft. Eine genaue Untersuchung der Beziehungen der Arten untereinander würde hier den Rahmen sprengen.
Sicherlich wird zu erkennen sein, dass alles in einem Kreislauf ist und von Seiten der Natur eingerichtet wird, um ein Gleichgewicht und eine Artenvielfalt zu erhalten. Ein Stoffkreislauf, Entstehen, Vermehren, Leben, Fressen, Gefressen werden, Zersetzung, Tod und neues Entstehen.
Die feinen, oft unbemerkbaren Vernetzungen und Abhängigkeiten der Arten untereinander sollten wir als Gärtner erhalten und durch unser Handeln, äußerst behutsam in diesen Kreislauf eingreifen und durch unser Einwirken keine Störung oder Schädigung hervorrufen.
Nach dem Pflanzen braucht ein Obstbaum Zeit zum Wachsen. Damit sich ein ökologisches Gleichgewicht einstellt, braucht es auch eine gewisse Zeit und Geduld.
Pflanzt man einen Obstbaum und erhält einen alten Obstbaum oder beläßt einen abgestorbenen, krankheitsfreien Obstbaum im Garten, leistet man einen großen Teil zum Artenschutz, man schafft und bewahrt Lebensraum. Lebensraum, der in unserer Kulturlandschaft weiterhin verloren geht.
Im Obstbaum kann man Nisthilfen für Vögel, Fledermäuse und Insekten anbringen. So schützt man viele bedrohte Lebewesen vor dem Verschwinden, das zu oft zu spät bemerkt wird.
Wir als Kleingärtner haben es in der Hand, Artenvielfalt in unseren Gärten zu fördern! Unser Handeln wird viel bewirken, denn wir sind Viele auf einer großen Fläche.
Artenvielfalt wird gefördert durch naturgemäßes und umweltgerechte Gärtnern nach guter fachlicher Praxis.
Außerdem gehören der fachgerechte Schnitt von Obstgehölzen, die Sortenwahl und Standortwahl der Obstgehölze dazu sowie Kenntnisse über sachgemäße Bewässerung, Pflanzenernährung, Bodenbearbeitung, biologischen Pflanzenschutz.
Ein fachgerechter Schnitt bringt Luft und Licht in den Baum und man vermindert und verhindert dadurch Pilzkrankheiten. Eine bestimmte Obstsorte gedeiht nur an einem bestimmten Standort und Standortbedingungen.
Naturgemäßes, umweltgerechtes und fachlich richtiges Gärtnern in der Gesamtheit des Gartens muss die Verwendung von chemischen Pflanzenschutzmitteln auf ein Mindestmaß reduzieren und letztlich unnötig machen. Der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln bringt das Gleichgewicht im Lebensraum Obstbaum, und im gesamten Garten, durcheinander, wirkt lange nach und ist verheerend für die Vielfalt der Arten. Nicht nur Schädlinge werden abgetötet, sondern auch alle nützlichen Tiere und Pflanzen, die in engen Wechselbeziehungen zueinander stehen.
Auch über die Herstellung, Vermarktung und Entsorgung von Pflanzenschutzmitteln und die damit verbundenen Probleme und Belastungen muss man einmal nachdenken.
Einige Gedanken, die man sich vor dem Pflanzen eines Obstbaumes machen sollte:
Standortwahl (Licht, Sonne, Nachbar etc.)
Beschaffenheit des Bodens (schwer, lehmig, durchlässig, ph Wert etc.)
Sortenwahl (Geschmack, frühreifend, krankheitstolerant etc.)
Wuchsform (Spindel, Halbstamm, Kronenform etc.)
Aber nicht erschrecken lassen! In jeder guten Baumschule, im Internet, durch Fachliteratur,
beim Gartenfachberater oder altem Fuchs im Nachbargarten kann man sich informieren und beraten lassen.
Und man wird sich jahrelang an einem gesunden Obstbaum und wohlschmeckenden und unbehandelten Früchten erfreuen können. Und wer ein wenig genauer hinschaut, gerade mit Kindern zusammen, wird spannende Beobachtung machen können, Zusammenhänge verstehen, lernen und sich erfreuen.
Wenn man noch eins draufsetzen will, pflanzt man eine alte Obstsorte. Dadurch wird sie erhalten, auch als wichtige Genreserve. Sortenvielfalt, ja auch Artenvielfalt, wird erhalten. Man hat was Besonderes. Im Aussehen und vor allem im Geschmack! Für Allergiker sind alte Sorten oft eine Alternative. Die alten Sorten sind an die Region, den Boden und das Kleinklima angepasst, sind robust gegenüber Krankheiten und Schädlingen. In raueren Lagen ist ihr Anbau problemloser.
An den Standort angepasste Sorten sind pflegeleichter und umweltschonender.
Blüh auf!
Tino Kinne